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Die allgemeine Auffassung, dass eine Volkswirtschaft netto sparen könne, also insgesamt Geld über einen bestimmten Zeitraum sparen könne, um mit dem angesparten Geld erst in einer zukünftigen Periode Investitionen zu finanzieren, ist falsch. Sparen bei dem einen Wirtschaftssubjekt führt gegenwärtig notwendig zu einem Einkommensausfall bei einem anderen Wirtschaftssubjekt. In der Gegenwart bleibt irgendjemand in der Volkswirtschaft auf seinem Angebot sitzen. Da die Summe der Einnahmen und damit die Einkommen aller Wirtschaftssubjekte gleich der Summe der Ausgaben und damit der Nachfrage aller Wirtschaftssubjekte sind, sänken in der Folge die Einkommen. Ausgaben, die nicht getätigt würden, fielen also in gleicher Höhe weg. Das innerhalb einer Periode erwirtschaftete Einkommen muss immer verwendet werden. In Analogie zur Zeitersparnis, die man nicht sparen kann, kann es Sparen im Sinne von Nichtverwendung in einer Volkswirtschaft nicht geben. Heutige Investitionen sind die Voraussetzung für die Bildung von Ersparnissen, nicht umgekehrt. Beide Größen sind lediglich in einer ex post-Betrachtung gleich.
Aus dem Unwissen bei Bürgern und Wirtschaftspolitikern über den Unterschied zwischen gesamt- und einzelwirtschaftlicher Betrachtungsweise heraus lassen sich viele Fehler der heutigen Wirtschaftspolitik analysieren. So werde die Staatsverschuldung fälschlicherweise als eine Verschuldung gegenüber zukünftigen Generationen angesehen. Stattdessen ist der Wohlstand eines Landes allein durch seinen zukünftigen Kapitalstock, also vor allem determiniert durch die vorhandenen Maschinen und Anlagen sowie den Qualifizierungsstand seiner Bevölkerung und das Sozialkapital (welches die Stabilität der gesellschaftlichen Grundordnung einschließt). Problematisch ist auf gesamtstaatlicher Ebene eine Verschuldung nur, wenn sie netto gegenüber dem Ausland besteht.
Der Staat ist keine schwäbische Hausfrau!
Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung
Die gesamtwirtschaftliche Ersparnis ist (in der offenen Volkswirtschaft) gleich den inländischen Investitionen zuzüglich der Nettoauslandsinvestitionen ,
In der theoretischen geschlossenen Volkswirtschaft gilt folglich: S = I
Beim Sparen ist die richtige Bewertung des Sparens zu beachten – siehe DIW: Wirtschaftspolitische Ueberlegungen: Sparen als Voraussetzung zum Investieren?
Das "Sparen" ist in den vergangenen Jahren immer mehr zu einer zentralen Zielvorstellung der Wirtschaftspolitik geworden. Die Bundesregierung beschliesst "Sparpakete", um die wirtschaftlichen Herausforderungen im Gefolge der deutschen Waehrungsunion und im Vorfeld der europaeischen Waehrungsunion zu meistern. In ganz Europa ist nach den Vorstellungen der Wirtschaftspolitiker staatliches Sparen gefordert, um die kuenftige europaeische Waehrung stabil und die europaeische Wirtschaft wettbewerbsfaehig zu machen. Der gerade beim europaeischen Gipfel in Dublin verabschiedete Stabilitaetspakt setzt konsequent darauf, dass eine "solide" Finanz- und Wirtschaftspolitik die wichtigste Vorausetzung fuer die Schaffung von ausreichend vielen Arbeitsplaetzen ist.
Eng verbunden mit der Einschaetzung der wirtschaftspolitischen Bedeutung des "Sparens" ist die Ueberzeugung, der "Sozial- oder Wohlfahrtsstaat" sei die eigentliche Ursache der wirtschaftlichen Probleme und insbesondere der Arbeitslosigkeit. Der Sozialstaat sei "inhaerent instabil", weil er die Leistungsfaehigkeit und -willigkeit der Buerger ueberfordere, er muesse folglich abgespeckt oder umgebaut werden. Wenn alle den Guertel enger schnallen, also "sparen", so die Verheissung, werde "am Ende" mehr Konsum moeglich sein. Nur wer heute weniger ausgibt, also etwas zuruecklegt, koenne investieren und morgen die Fruechte seiner Investition ernten.
Diese Vorstellung ist nicht neu. Sie ist sogar naheliegend, beschreibt sie doch korrekt das Verhalten und die wirtschaftlichen Moeglichkeiten eines einzelnen Haushaltes oder eines Unternehmens. In einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung aber, und das ist fuer die Wirtschaftspolitik die einzig relevante Sichtweise, fuehrt die Idee des der Investition vorangehenden Sparens in die Irre. Der Kern des Missverstaendnisses liegt in der immer gewaehrleisteten Identitaet von realisiertem Sparen und realisiertem Investieren. Fuer die Zukunft lassen sich aber daraus keine Schluesse ziehen. Die Entscheidung eines privaten oder eines staatlichen Haushaltes, in der Zukunft von den ihm zufliessenden Einnahmen weniger auszugeben, erhoeht die Investitionstaetigkeit der Volkswirtschaft insgesamt nicht ohne weiteres. Sogar das Gegenteil ist richtig: Entschliessen sich die wichtigsten Gruppen einer Wirtschaft, private Haushalte, der Staat und das Ausland, in der naechsten Periode bei den unter normalen Umstaenden zu erwartenden Einnahmen einen Ueberschuss der Einnahmen ueber die Ausgaben zu erzielen, wird die Investitionstaetigkeit, d.h., das gesamtwirtschaftliche Sparen, mit Sicherheit abnehmen. Die Unternehmen als Gruppe verzeichnen dann sinkende Einnahmen, was sie veranlassen wird, weniger zu investieren und Arbeitskraefte zu entlassen. Die privaten Haushalte und der Staat koennen in diesem Fall die erwarteten Einnahmen nicht erzielen und folglich den urspruenglich geplanten Ueberschuss der Einnahmen ueber die Ausgaben nur zu realisieren versuchen, indem sie wiederum ihre Ausgabeplaene nach unten anpassen. Doch auch darauf muessen die Unternehmen erneut mit der Verminderung ihrer Ausgaben fuer Arbeit und Vorleistungen reagieren.
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ES IST ALSO GENAU ANDERS ALS MAN JEDEN TAG HÖRT!
"Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher."
Berthold Brecht